Wohlstands- statt Wertschöpfung

Nichts währt ewig. Irgendwann wird – auf Holz geklopft – diese Pandemie vorüber sein, die Fragen der Nachhaltigkeit doch gravierend überlagert hat. Doch das Thema bleibt uns, natürlich, erhalten. Denn auch nach Corona geht der Klimawandel weiter, Arbeiter in Schwellenländern beziehen weiter noch viel zu oft Hungerlöhne und von den Unternehmen werden wieder konkrete Ansätze für Sustainability und Corporate Social Responsibility erwartet.

Davon geht auch die EU aus, die für 2021 eine Initiative zur nachhaltigen Unternehmensführung ankündigt, mit der u.a. auch das Management von Lieferketten und die Sorgfaltspflicht von Unternehmen für ihre Supply Chains adressiert werden. Ein immergrünes Thema, das nicht nur den Unternehmen aufgebürdet wird, sondern dessen sich auch Politik und Gesellschaft nun stärker annehmen. Es steht außer Frage, dass hier großer Handlungsbedarf besteht, nicht nur zum Wohle von Lieferketten, sondern von uns allen.

Deshalb haben wir Ende letzten Jahres noch eine Projekt-Akademie für die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG zum Abschluss gebracht. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen von anderen Hochschulen haben wir dabei drei Themenfelder bearbeitet.

Das erste lautet „Ethische Prinzipien als Grundlage von Supply Chains“. Ich weiß, Moral und Marktwirtschaft teilen nicht immer zu 100 Prozent dieselben Ansichten, und aus unserer trotz Corona-Belastung im weltweiten Vergleich durchaus guten Position heraus erscheint es naheliegend, anderen Menschen zum Beispiel in Schwellenländern zu predigen, sie sollen ihre Kinder gefälligst zur Schule und nicht aufs Baumwollfeld schicken. Doch die Anwendung ethischer Prinzipien auf das Management unserer Lieferketten zwingt uns, auch einmal die Perspektive zu wechseln und zu erkennen, warum wir in ihrer Lage vermutlich genau dasselbe tun und unsere Kinder aufs Feld schicken würden. Und je nachdem, wie wir als Konsumenten und Produzenten uns verhalten, geht das entweder so weiter oder es ändert sich dergestalt, dass auch diese Kinder oder zumindest deren nachfolgende Generation eine Schulausbildung bekommen, weil ihre Eltern genug verdienen. Moral hat in fernen Ländern mehr mit Lohn und Brot zu tun, als wir uns hierzulande träumen lassen.

Im zweiten Themenfeld der angesprochenen Akademie ging es um etwas, was jedem Einkäufer und Supply Chain Manager seit Jahren auf den Nägeln brennt: die Messbarkeit der Nachhaltigkeit in Supply Chains  – für jeden Einkäufer z.B., der täglich mit Lieferanten zu tun hat, ein Mega-Thema. Denn wenn ich als Einkäufer vereinfacht ausgedrückt – nach wie vor nach Spend (Ausgaben) und Savings (Kosteneinsparungen) geschult, beurteilt, incentiviert und bezahlt werde, dann führt das in Zeiten der Nachhaltigkeit zu teilweise absurden Effekten: Wenn ich zum Beispiel einen nicht nachhaltigen Lieferanten gegenüber einem nachhaltigen Lieferanten bevorzugen und bei ihm ordern muss, bloß weil der nicht-nachhaltige Lieferant einige Cent pro Einheit preisgünstiger ist – und ich seinen Nachhaltigkeitsnachteil eben (noch) nicht messen, quantifizieren und in Euro und Cent angeben kann. Das geht nicht, läuft aber leider schon viel zu lange und nach wie vor zu oft so.

Also muss ich schleunigst messen können, was bis heute nicht wirklich gut und einheitlich messbar ist: Welche Effekte bringt die Nachhaltigkeit eines Lieferanten? Und wie lässt sich das mit Savings gegenrechnen? Wir müssen dahin kommen, dass wir die Nachhaltigkeit eines Lieferanten einpreisen können. Damit zukünftig nicht immer nur auf Einstandspreise fokussiert wird und damit der nachhaltigere Lieferant dann auch zuverlässig den Zuschlag bekommt.

Und schließlich unser drittes Thema in der Akademie: Best Practices und andere Aktivitäten für eine Verbesserung der Nachhaltigkeit in Supply Chains. Dazu brauchen wir in Zukunft sehr viel mehr gute Beispiele, die zeigen, dass und wie wir sowohl Umwelt- als auch soziale Aspekte adressieren können und gleichzeitig dem ökonomischen Prinzip folgen, so dass der Dreiklang aus People – Planet – Profit zum Klingen gebracht wird. Denn das zeichnet Nachhaltigkeit aus: Dass alles, was wir ge- und verbrauchen, nicht nur in Form von Recycling wiederverwertet, sondern direkt wieder – im Sinne einer Circular Economy – in den Wertschöpfungskreislauf eingespeist wird, so dass unsere knappen Ressourcen immer effizienter genutzt und besser geschützt werden können, zu unser aller Wohl.

Die Ergebnisse der erfolgreich abgeschlossenen Akademie zu allen drei skizzierten Themen, die ich jedem ans Herz legen möchte, können übrigens in Buchform nachgelesen werden unter dem Titel „Sustainability in Global Value Chains“ (erscheint in Kürze).

Wenn diese Ansätze beherzigt werden, wird aus dem derzeitigen Management der Wertschöpfungsketten in Zukunft ein echtes „Wohlstandsschöpfungsketten-Management“. Und wenn uns diese Transformation gelänge, wäre das für Wirtschaft und Menschheit ein Jahrhundert-Erfolg. Das wäre doch mal ein schöner Vorsatz fürs neue Jahr – und wenn ihn alle befolgen, wird es auf jeden Fall ein gutes.

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