Alles nur noch regional?

Ich wurde neulich gefragt: „Wie geht es mit der Wirtschaft weiter, wenn die Pandemie einfach nicht enden will?“ Derjenige wollte wissen: Was ist mein Standpunkt zu De-Globalisierung, Re-Shoring und Verlegung von Wertschöpfungsprozessen? Ich bezweifle, dass er der Einzige ist, den das interessiert, denn es betrifft uns alle. Genau das ist die Frage zur Zukunft des Supply Chain Managements: Wie bauen und managen wir zukünftige Wertschöpfungs-Netzwerke?

Vor einem halben Jahr habe ich an dieser Stelle noch gedacht und geschrieben: Natürlich so wie vor Corona! Denn irgendwann ist auch die Pandemie vorbei. Die generellen Regeln des Supply Chain-Managements werden sich deshalb nicht grundlegend verändern. Heute jedoch sprechen immer mehr Insider und Meinungsmacher vom „Ende der Globalisierung“ wie wir sie kennen.

Ich gehöre nicht dazu. Ich glaube nach wie vor an die Vorteile weit verzweigter Wertschöpfungsprozesse auf Basis internationaler Arbeitsteilung: Es ist einfach effizienter, wenn Spezialisten das produzieren und tun, worauf sie spezialisiert sind. Wir alle profitieren davon, wenn sich spezialisierte Partner in unseren Netzwerken auf ihre Kernkompetenz konzentrieren. Die Vorteile dessen sind einfach zu groß, effizient und kostensparend. Außerdem kamen wegen Corona auch im Inland Lieferketten ins Stocken: Re-Shoring schützt nicht vor Viren im eigenen Land.

Natürlich bauen gerade einige Unternehmen neue Werke und Hallen an ihren angestammten Standorten hierzulande. Und natürlich macht es Sinn, beispielsweise eine Impfstoffproduktion „vor der eigenen Haustür“ zu haben. Doch diese im Einzelfall sehr wirkungsvollen Stärkungen der Heimatbasis würde ich noch nicht als die rasante De-Globalisierung bezeichnen. Wir werden auch nach der Pandemie in globalen Wertschöpfungs-Netzwerken unterwegs sein und sie managen. Wir werden eben nicht alles regional und lokal vor der eigenen Haustür finden wollen nur für den Fall, dass die nächste Pandemie früher kommt als uns lieb sein kann.

Das ist nicht bloß eine frohe Hoffnung. Ich kann es auch begründen mit jenen Erkenntnissen, die ich gerade in den letzten Wochen und Monaten gewinnen oder vertiefen konnte. Einer der gewichtigsten Gründe: Wir halten doch heute endlich die Technologien in Händen, mit denen wir globale Netzwerke besser managen können als jemals zuvor; zum Beispiel die Blockchain. Sie schafft nie dagewesene Transparenz und Vertrauen. Endlich haben wir technologisch alles beisammen, was wir brauchen, um die Reichweite unserer Netzwerke deutlich zu erhöhen – und dann soll uns dieses Virus daran hindern, diese unglaublichen Potenziale zu heben?

Wir sollten uns bei der Planung der Wertschöpfungs-Netzwerke der Zukunft nicht auf die viel zu enge Frage „global oder regional?“ beschränken. So seltsam das in Pandemie-Zeiten klingt, aber: Es gibt Wichtigeres! Zum Beispiel die Umstellung klassischer Wertschöpfungsprozesse von Takt und Band auf eine Matrix-Organisation, die eine viel höhere Flexibilität und Agilität erlaubt und den Shop Floor nicht so sehr in die restriktive Linearität eines Bandes zwängt. Dazu kommen zellulare Fördertechniken in der Logistik, die intelligente Wege gehen und autonome Roboter beliefern. Das sind die Mittel und Wege, die in die Zukunft weisen, und diese sollten wir planen, organisieren und über Unternehmensgrenzen hinaus skalieren, wenn wir Supply Chain Management erfolgreich in die Zukunft weiterentwickeln wollen.

Insofern fühle ich mich motiviert, genau in dieser Richtung weiter zu gehen und möchte mich in meinen Überlegungen nicht darauf beschränken, nur noch über Regionalisierung nachzudenken. Ich möchte weiterhin global denken. Ist das nur mein Wunsch? Was halten Sie davon?

Es wäre schön, wenn wir darüber in Austausch treten könnten. Es lohnt sich, über die Zukunft des Supply Chain Managements zu diskutieren. Diskussionen bringen uns weiter. Vor allem in einer so spannenden Fragestellung, die uns in den nächsten Monaten und Jahren noch beschäftigen wird wie keine zweite.

1 Kommentare:


  1. Lieber Michael,
    „Wir sollten uns bei der Planung der Wertschöpfungs-Netzwerke der Zukunft nicht auf die viel zu enge Frage „global oder regional?“ beschränken. So seltsam das in Pandemie-Zeiten klingt, aber: Es gibt Wichtigeres! Zum Beispiel die Umstellung klassischer Wertschöpfungsprozesse von Takt und Band auf eine Matrix-Organisation, die eine viel höhere Flexibilität und Agilität erlaubt und den Shop Floor nicht so sehr in die restriktive Linearität eines Bandes zwängt. Dazu kommen zellulare Fördertechniken in der Logistik, die intelligente Wege gehen und autonome Roboter beliefern. Das sind die Mittel und Wege, die in die Zukunft weisen, und diese sollten wir planen, organisieren und über Unternehmensgrenzen hinaus skalieren, wenn wir Supply Chain Management erfolgreich in die Zukunft weiterentwickeln wollen.“
    das sehe ich aus so.
    Ich wünsche Dir und Deiner Familie Frohe Ostern
    Hans

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