Ist Logistik eine Wissenschaft?

Zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie konnte die Graduate School of Logistics ihren Neujahrsempfang wieder in Präsenz abhalten. Über 60 Personen waren gekommen, die mit viel Freude und Optimismus das Jahr 2023 begrüßen wollten. In guter alter Tradition durfte ich einen kurzen Rückblick aufs vergangene und einen Ausblick auf das neue Jahr geben und nahm die Gelegenheit wahr, um mit den Gästen ein kleines Gedankenexperiment durchzuführen:

Ich fühle mich in meinen Funktionen von Hochschullehrer und Institutsleiter nachvollziehbar als Wissenschaftler. Weil ich mich darüber hinaus mit vielfältigen Themen aus der Logistik beschäftige, kann ich überdies mit Fug und Recht behaupten: Ich bin Logistiker. Keine Einwände? Dann weiter: Betrachten wir diese beiden Berufsbezeichnungen, könnte man durchaus die Schlussfolgerung ziehen, dass (zumindest bestimmte) Logistiker auch Wissenschaftler sind. Und das ließe sich auch belegen.

Wenn ich nämlich – ganz unwissenschaftlich – bei Google (oder jeder anderen Suchmaschine) die Berufsbezeichnung „Physiker“ eingebe, dann erscheint auf dem Bildschirm: „Naturwissenschaftler“, also Wissenschaftler. Das hat jetzt keinen von uns überrascht, denn auch in unserer Alltagsassoziation denken wir beim Gedanken an „Physiker“ meist spontan an jemanden, der wissenschaftlich mit Formeln jongliert. Wir denken vielleicht an Albert Einstein (Wissenschaftler). Wir denken an eine Person im weißen Laborkittel und Schutzbrille, die mit Reagenzgläsern hantiert oder ein Massenspektrometer bedient. Abschluss der zweiten Stufe unseres kleinen Gedankenexperiments. Vielleicht ahnen Sie, worauf ich hinauswill …

Denn nach dieser zweiten Stufe wollte ich bereits Tage vor dem Neujahrsempfang den Zusammenhang – Physiker:innen = Wissenschaftler:innen – auf die Logistik übertragen und ebenfalls wieder ganz unwissenschaftlich von Google bestätigen lassen. Ich meine, wenn Google Physikerinnen und Physiker ganz selbstverständlich als Wissenschaftler identifiziert, dann müsste es das doch schließlich auch mit Logistikerinnen und Logistikern… Da ist dann die Pointe raus.

Das dürfen Sie gerne überprüfen. Das ist fast lustig, wenn es nicht so traurig wäre. Denn was passiert, wenn ich bei Google „Logistiker“ eingebe? Ich bekomme nicht „Wissenschaftler“ oder „Wissenschaftlerin“. Ich bekomme Millionen Bilder von stämmigen LKW-Fahrern und von ihren Lastern. Ich sehe Bilder von ziemlich fitten Frauen, die im Lager flink Pakete zusammenstellen oder im Büro Routen disponieren. Ich sehe Bilder von Sackkarren und Gabelstaplern.

Allerhöchstens bekomme ich Bilder von gut aussehenden jungen Männern im Anzug, die im Lager mit Tablets hantieren – das scheinen Logistikberater zu sein. Diese Bildergalerien kann man nun beliebig aufrufen und das wird mit zunehmender Bilderflut immer lustiger oder immer trauriger; je nach persönlicher Prädisposition. Gemäß Google sind die charakteristischen Merkmale von Logistik: LKW, Sackkarre, Gabelstapler und Lager.

Da scheint noch ein weiter Weg zu gehen zu sein, um den Zusammenhang von „Physikern = Wissenschaftlern“ zu übertragen auf „Logistiker:innen = Wissenschaftler:innen“. Diesen Weg beschreiten wir seit vielen Jahren und werden ihn auch im neuen Jahr weiter fortsetzen.

Wir setzen alles daran, dass die Logistik mit Wissenschaftler:innen gleichgesetzt wird. Von Google und der Welt. Hier in Dortmund und weit darüber hinaus gilt das übrigens schon. Da verwechselt niemand Logistik mit Gabelstaplerfahren.

Wir werden natürlich weiterhin daran arbeiten, diese der Realität entsprechende Wahrnehmung auch im neuen Jahr in die Welt zu tragen. Vor allem auch deshalb, weil wir hier im wahrsten Sinne des Wortes an der Realität der Zukunft arbeiten. Wer versorgt denn die Menschen mit allem, was sie gewohnt sind und für ihren Wohlstand und ihre Zufriedenheit benötigen? Wer ist der Motor der Globalisierung? Wer überwindet derzeit mit großen Anstrengungen die krisenbedingten Disruptionen der Lieferketten?

Hoffen wir und arbeiten wir daran, dass dieses Verständnis sich auch im neuen Jahr und noch weiter in den Köpfen festsetzt, so dass ich beim nächsten Neujahrsempfang bei Google nicht nur LKW-Bilder finde, sondern die völlig normale Verbindung von:

Logistik = Wissenschaft.

In diesem Sinne: Alles Gute fürs neue Jahr!

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