Smart Factory braucht Smart Maintenance

Vor kurzem haben wir auf der Hannover Messe, der weltweit größten Industriemesse, eine neue Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft zum Thema Smart Maintenance vorgestellt: die Smart-Maintenance-Community. Sozusagen eine Initiative in Gründung. Was genau soll und wird sie initiieren?

Das erste Jahr, in dem die Industrie 4.0 als neues Kunstwort geprägt und kommuniziert worden war, war 2011 – ebenfalls anlässlich der Hannover Messe. Acht Jahre später war man beeindruckt, wenn man durch die Messehallen lief: Über 6.000 Aussteller aus 75 Nationen präsentierten ihre Lösungen. Jahr für Jahr wird die Idee, die hinter der Industrie 4.0 steht, mehr zur Realität: die Smart Factory.

Die Smart Factory jedoch läuft nur so lange und so gut, bis eine der vielen autonomen Anlagen und Maschinen ausfällt. Dann war die Smart Factory die längste Zeit smart. Dann stehen die Räder still. Um genau das zu verhindern, brauchen wir Smart Maintenance. Eine Smart Factory erfordert eine Smart Maintenance, die auf den Grundprinzipien der Industrie 4.0 basiert: Individualisierung, Digitalisierung, Autonomisierung.

Smart Maintenance bedeutet vereinfacht ausgedrückt: Eine smarte Maschine oder Anlage meldet ihren individuellen Instandhaltungsbedarf selbstständig, noch bevor dieser entsteht. Das wäre eine Instandhaltung, die sicherstellt, dass die Smart Factory tatsächlich störungs- und einwandfrei funktioniert. Betrachten wir heute die real vorhandene Industriewirklichkeit, müssen wir leider konstatieren, dass nicht annähernd alle Produktionsprozesse so agil und wandlungsfähig sind, wie die Industrie 4.0 das voraussetzt. Die Instandhaltung insbesondere im Ersatzteilewesen ist größtenteils noch recht unstrukturiert organisiert, sehr viele Verantwortliche in der Instandhaltung verfügen über ein im Sinne des Wortes unschätzbar wertvolles Erfolgswissen, das demnächst verloren ist, wenn sie in Rente gehen – weil das Wissensmanagement diesen Wissensschatz nicht in ausreichendem Umfang gehoben hat.

Auf diesem Schatz jedoch könnte und müsste die Smart Maintenance aufgebaut werden. Und schließlich haben wir immer noch keine verlässliche und konsensuelle Beleuchtung des Wertbeitrags der Instandhaltung. Also warum eine Smart Maintenance einführen, wenn deren Beitrag zur Smart Factory noch nicht einmal verlässlich angegeben werden kann?

Mit dieser Schwachstellenliste haben wir lediglich die Spitze des Eisbergs der brachliegenden Potenziale der Instandhaltung gestreift. Auch in Folge dessen ist die Instandhaltung heute noch eher reaktiv als verfügbarkeitsorientiert unterwegs. Und genau deshalb gründen wir nun eine Smart-Maintenance-Community. Sie ist mehr als nötig, um die unterschiedlichsten Bemühungen auf dem Weg zu einer funktionierenden Smart Maintenance zu synchronisieren und auf ein Ziel auszurichten.

Eine der Grundlagen dafür liefern dabei die Ergebnisse eines Verbundvorhabens der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Innerhalb dessen Rahmen sind wir dabei, die eben genannten Defizite mit Hilfe des Einsatzes von neuen Technologien wie Predictive Maintenance, Condition Monitoring und anderen einzudämmen und nach neuen Lösungen zu suchen.

Äußerst hilfreich erweist sich dabei auch, dass sich innerhalb der neuen Smart-Maintenance-Community die produktionstechnischen und logistischen Institute der Fraunhofer-Gesellschaft zusammenschließen, um ihre komplementären Stärken noch intensiver zur Geltung zu bringen. Denn in der Vergangenheit wurden wir von der Industrie häufig gefragt: Was macht Fraunhofer eigentlich zum Thema Instandhaltung? Es gibt aktuell elf unterschiedliche Institute, die allesamt wesentliche Teilaspekte der Instandhaltung bearbeiten.

Die kollaborativen Forschungsprojekte, die sich aus solchen Fragen ergeben, zeichnen sich dadurch aus, dass durch den forschenden Zusammenschluss mehrerer Fraunhofer-Institute mehr als die Summe der Einzelteile entsteht: eine ganz neue Wertigkeit für die Rezipienten in der Industrie. Unternehmen, die sich dafür interessieren, können sich übrigens im Internet unter www.smc-live.de  weiterführende Informationen dazu holen. Dort ist auch zu finden, wie man als Unternehmen Mitglied der neuen Community wird.

Die neue Community wird flankiert durch ein auf- und auszubauendes Weiterbildungsangebot im Rahmen der Fraunhofer Academy, weil der Paradigmenwechsel von der Instandhaltung alter Prägung zur Smart Maintenance nur mit Hilfe einer Weiterqualifizierung der Mitarbeiter gelingen kann. Das klingt trivial, doch viele Unternehmen sind leider etwas technokratisch unterwegs: viel Technik, wenig Training. Wer jedoch möchte, dass die Instandhaltung smart wird, schafft das nicht ohne smarte Instandhalter.

Auf diese Weise können wir die Instandhaltung nicht nur hin zur Smart Maintenance entwickeln, sondern eine heute noch utopisch erscheinende Zielvision erreichen: Irgendwann einmal fallen Maschinen überhaupt nicht mehr aus. Sowohl von den konstruktiven Voraussetzungen der Maschinen und Anlagen als auch durch die Verfügbarkeitsorientierung der Instandhaltung kann künftig hoffentlich ein komplett störungsfreier Betrieb garantiert werden. Dabei hilft es uns auch, von der Natur zu lernen und zu kopieren: Wer „repariert“ den Baum, wenn der Sturm einen Zweig abreißt? Der Baum selber. Wer repariert Ihren Finger nach einem Papercut im Büro? Der Finger, die Natur, die Biologie selbst. Das ist unser Vor- und Zielbild im Kontext der biologisierten Wertschöpfung – auch ein großes Thema bei Fraunhofer.

Vielleicht gelingt es uns in der Verfolgung dieses Bildes, in Zukunft instandhaltungsfreien Produktionssystemen so nah wie nur möglich zu kommen – auch wenn wir dafür Gesetze der Physik neu definieren müssten. Doch dadurch, dass wir in der neuen Community auch hier die entsprechende Kompetenz mit an Bord haben, bin ich mir sicher – und das ist typisch für Fraunhofer, insbesondere wenn mehrere Fraunhofer-Institute zusammenarbeiten – dass wir selbst diese Herausforderung eines Tages meistern können.

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