Die dafür sorgen, dass alles läuft

Wir alle diskutieren viel und gerne über die Industrie 4.0. Erinnern wir uns: Einer der zentralen Ausgangspunkte dieser Diskussion ist die Idee und das Konzept der Smart Factory, der intelligenten Fabrik: Alles vernetzt, alles so weit wie möglich autonom, so dass weitgehend autonome Maschinen, Anlagen und Geräte miteinander „reden“ und (fast) ganz allein, eigen- und selbstständig für produktive und effiziente Wertschöpfung sowie Finanzabwicklung (Stichwort Smart Contracting) sorgen. In der Smart Factory der nicht allzu fernen Zukunft soll vieles automatisch und autonom funktionieren, weil die unsichtbare Hand der überragenden Fabrik-Intelligenz alles am Laufen hält. Und wer hält diese überragende Intelligenz am Laufen?

Es ist schon seltsam und auch ein bisschen unfair, wie schnell wir jene „vergessen“, die bereits heute – und in Zukunft noch viel mehr – unersetzlich sind, weil sie alles am Laufen halten sollen, müssen, werden. Irgendwelche Ideen? Richtig, es ist die Instandhaltung. Die intelligente Fabrik schaut ziemlich dumm aus der Wäsche, wenn und sobald sie nicht intelligent instandgehalten wird. Der Begriff „Smart Maintenance“ gewinnt aus dieser Perspektive zunehmend an Bedeutung.

Es ist fast schon komisch mit anzuhören, wie klug und weitschweifend viele Diskutanten über die 4. Industrielle Revolution sprechen, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wie das alles am Laufen gehalten werden soll. Wollt ihr denn nicht, dass das alles läuft? Dann redet über Smart Maintenance! Der digitale Handlungsbedarf in der Instandhaltung ist überwältigend. So überwältigend, dass viele nicht mal drüber sprechen. Das hilft nicht. Aber woher kommt dieser Verdrängungsreflex?

Er kommt von einem beeindruckend atavistischen Bild der Instandhaltung: Ölverschmierte Gesellen, die geradezu den dunkleren Kapiteln von „Game of Thrones“ entsprungen scheinen, kriechen in dreckigen Overalls fluchend unter rumpelnden Maschinen herum, die in irgendwelchen düsteren Kellerkatakomben ruß-speiend Werkstücke fräsen, bohren und schneiden. Solche Phantasien spuken immer noch in den Köpfen selbst von Entscheidungsträgern herum. Wir sollten sie (die Bilder, nicht die Entscheidungsträger) asap ablegen.

Natürlich wird auch in der Maintenance der Zukunft noch Öl fließen und Ruß schwirren. Doch das wird nicht mehr ihre Hauptbegleiterscheinung sein. Ihre zentrale Aufgabe wird sein, die autonomen Anlagen derart „fit“ zu halten, dass die vielgerühmte autonome Interaktion der Maschinen tatsächlich nachhaltig reibungs- und störungsarm möglich sein wird. Damit ist Instandhaltung nicht länger lediglich „Der Mann mit dem Schraubenschlüssel“ (das war sie ohnehin nie), sondern der zentrale Enabler autonomer Produktionsprozesse und die tragende Säule der intelligenten Wertschöpfung sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch im ganzen Wertschöpfungsnetzwerk. Damit leistet die Smart Maintenance nicht nur einen existenziellen Wertschöpfungsbeitrag zum reibungslosen Funktionieren der digitalen Ära aus mikroökonomischer Sicht, sondern sie leistet diesen Beitrag auch aus makroökonomischer Perspektive.

Wir neigen ja oft zu der Vorstellung: Man braucht bloß den Schalter umzulegen und – Zack! – ist die Volkswirtschaft als Ganze nun digital und wir sind „4.0-upgedatet“. Das ist Unfug. Denn auf dem Shop Floor stehen hier und heute noch Milliardenwerte alter, analoger Maschinen, die niemand in toto und über Nacht auf die Müllkippe karren und durch digitale Pendants ersetzen möchte oder gar könnte. Wir müssen vielmehr größtenteils ins Digitale migrieren. Und wer ermöglicht diese digitale Migration? Wer macht die intelligente Fabrik, selbstverständlich unter funktionsübergreifender Mithilfe und Zusammenarbeit , tatsächlich intelligent? Die Instandhaltung, natürlich. Sie sollte dies alles vorantreiben, wenn sie in der Wahrnehmung der übrigen Stakeholder zu der Bedeutung gelangen möchte, die ihr fraglos zusteht.

Denn (nur) sie hat das dafür nötige technische Know-how. Sie betreut die Anlagen und Maschinen seit Jahrzehnten, kennt sie mit Vornamen, kennt blind jede ihrer Schrauben, ihre Tücken und Besonderheiten. Mit der digitalen Gegenwart ändert sich auch das Berufsbild des Instandhalters: Er und sie sind nicht nur die Leute, die wissen, wo man/frau die Maschine treten muss, damit sie wieder in den Sinus-Rhythmus kommt. Nein, wir werden – wenn wir smart sind – immer mehr auch jene Menschen in der Instandhaltung willkommen heißen, die auf die Herausforderungen des Digitalen vorbereitet sind, etwas von großen Datenmengen und ihrem Management verstehen und Code „sprechen“. Mit der heutigen Keller-Kultur der geringschätzigen Wahrnehmung der Instandhaltung ist das nicht möglich.

Wenn wir im digitalen Zeitalter überleben und reüssieren wollen, sollten wir spätestens seit gestern aktiv an einer Unternehmenskultur arbeiten, die Instandhaltung als das erkennt und wertschätzt, was sie ist: Enabler der digitalen Ära. Instrumentell bedeutsam für diese positive Entwicklung wäre auch, wenn die Betriebswirtschaftslehre endlich ihr Update zur BWL 4.0 erführe und zum Beispiel den Wertbeitrag der Instandhaltung jenseits von Kosten-Savings transparent und unwiderlegbar macht. Wie misst man den Wertbeitrag eines digitalen Enablers? Das muss ganz anders gerechnet werden als Kosteneinsparungen.

Seit geraumer Zeit bitten uns Praktiker aus der Instandhaltung händeringend, dass wir sie bei der Aufwertung ihre interfunktionellen Bedeutung unterstützen. Wir tun das gerne und – hoffentlich – mit nachhaltiger Wirkung. Keine Wirkung kann jedoch nachhaltiger und intensiver sein als jene, die ihr der Anbruch der neuen Zeit verleiht: Die Digitale Transformation wird nur mit Wertschätzung, Unterstützung und dem Enablement der Instandhaltung gelingen – oder sie wird scheitern.

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