Der nächste große Schritt

Die spannende Welt der Start-ups und Start-ins stand beim kürzlich verliehenen Digital Logistics Award im Scheinwerferlicht. Der Award wurde anlässlich des 36. Zukunftskongresses Logistik in Dortmund verliehen. Aus 30 hoch interessanten Bewerbungen destillierte die Jury acht besonders innovative und herausragende Kandidaten und kürte am Ende drei Preisträger.

Wie nicht nur das Teilnehmerfeld bei der aktuellen Preisverleihung zeigt: Die analoge Wirtschaft reagiert auf den digitalen Start-up-Boom. Das Start-in ist die Antwort der Etablierten auf die Start-up-Welle. Weil der Begriff noch nicht so weit verbreitet ist, wie es das digitale Zeitalter suggeriert: Unter einem Start-in versteht man ein frisch gestartetes Unternehmen, das nicht wie ein Start-up unabhängig von einem etablierten Unternehmen, sondern vom etablierten Unternehmen noch „beschützt“ wird. Allerdings mit entsprechender Freiheit, Verantwortung und Budget. Aber eben nicht komplett eigenständig wie ein Start-up, sondern im geschützten Umfeld seiner Mutterfirma aufwachsend, von der Mutter aber durch eine Art Firewall getrennt, damit die Innovatoren und neue, digitale Dienste und Geschäftsmodelle nicht gleich wieder vom Tagesgeschäft der Mutter absorbiert werden. Weil Start-ups und Start-ins sich so gut entwickeln und vermehren, fanden sich auch beide auf der Bewerberliste zum Digital Logistics Award. Der Preis wird jährlich vom Digital Hub Logistics ausgelobt und die Jury wählte auch in diesem Jahr acht besonders beeindruckende Finalisten aus, die ihre Ideen und Anwendungen dann vor über 500 Kongress-Teilnehmern im Rahmen von fünfminütigen Elevator Pitches vorstellen durften. Die Bandbreite der Ideen reichte in diesem Jahr von Plattform-Lösungen für Transport und Verwaltung bis hin zum digitalen Garagentorheber. In diesem starken Feld sicherte sich den ersten Preis das Team vom Start-up „NautilusLog“, das nichts weniger als die Schifffahrt digitalisiert.

Denn selbst in unseren Tagen werden auf vielen tausenden Schiffen immer noch Routen und Geschwindigkeiten der Schiffe von Hand in abgewetzte Logbücher eingetragen. Dank NautilusLog kann das jetzt digital geschehen, was ich persönlich als innovativ und sehr nützlich empfinde. Einmal ganz davon abgesehen, dass viele der Finalisten meines Erachtens Preise verdient hätten. Denn die Start-up- und Start-in-Szene hat sich in kürzester Zeit prächtig entwickelt. In der Tat so prächtig, dass man sich fast fragen könnte: Alles schön und gut – aber was jetzt?

Die Szene hat sich so gut entwickelt, dass ein reges Start-up/in sich praktisch wöchentlich auf einen der vielen Preise bewerben kann, die es mittlerweile gibt – wobei der Digital Logistics Award einer der am höchsten dotierten Preise in der Logistik-Szene ist. Die Preiswürdigkeit eines Start-ups/ins ist dabei jedoch nicht die überragende Frage. Die viel drängendere Frage ist: Wie kriegen wird diese preiswürdige Entwicklung gehebelt? Wie bekommen wir sie stärker in die etablierte Praxis hinein und wie skalieren wir sie dort? Und wie nutzen wir diese Hebelwirkung, um das analog angestaubte Image der Wirtschaftsnation Deutschland digital zu kultivieren? Denn wenn es ums Digitale geht, wandern vielversprechende Talente und Neugründungen eben immer noch eher ins Silicon Valley ab, nach Tel Aviv, höchstens noch nach Berlin.

Vielleicht müssen wir uns noch intensiver in der Gründerlandschaft vernetzen und noch intensiver kommunizieren; vor allem nach außen? Wir haben inzwischen über 10 Digital Hubs in der Digital Hub Initiative und eine Vielzahl unterschiedlichster von Wirtschaft und Politik sowie auch von Hochschulen geförderter Aktivitäten und Ökosysteme. Aber wir haben noch immer nicht jene Sichtbarkeit und Außenwirkung erreicht, die nötig ist, um mit dem Valley oder anderen internationalen Gründerhochburgen mithalten zu können. Michael ten Hompel setzte beim Zukunftskongress daher zu Recht ganz oben an und meinte: „Wir brauchen ein neues Innovationssystem in Deutschland.“

Dieser Forderung kann ich mich voll und ganz anschließen! Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und natürlich die Wirtschaft selbst müssen dabei gemeinsame Sache machen! Ich treffe Praktiker, die von ihrer Learning Journey z.B. ins Silicon Valley zurückkommen und danach mit ihrem neu erworbenen Wissen digital voll durchstarten möchten, nur um eher früher als später feststellen zu müssen: „Die lassen mich keine Apps entwickeln! Wozu haben die mich dann ins Valley geschickt?!“ Da stimmt was nicht. Alle wollen die digitale Transformation, aber kaum möchte eine(r) transformieren, wird er oder sie zur pflichtschuldigen Erledigung des Tagesgeschäfts in line mit den Compliance-Richtlinien zurückgepfiffen. Und das ist nur eine von vielen Seiten an denen wir gleichzeitig ansetzen müssen.

In Zeiten der Digitalen Revolution haben wir in Deutschland immer noch eine einzigartige Chance: Durch Einsatz innovativer digitaler Anwendungen und Lösungen unsere Maschinen und Anlagen, die die Welt antreiben, intelligent machen. Wenn wir das mit mehr Nachdruck, mit mehr Mut zur Disruption und konzertiert über alle Stakeholder hinweg tun würden, hätten wir nach wie vor  einen großen Vorteil vor allen anderen Regionen der Welt.

Wenn wir  traditionell erstklassige Hardware mit digitaler Software, etablierte Unternehmen, gerade aus dem Mittelstand, mit Start-ups/ins zusammenschalten können – dann könnte das der nächste große Schritt sein.

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